Der faire Praxiswert 2023: Prof. Dr. Thomas Sander mit neuesten Erkenntnissen zum Thema Praxisbewertung für Zahnärzte (3)
Mit dieser Artikelserie zum Thema „Der faire Praxiswert“ möchte ich der Zahnärzteschaft die Erkenntnisse einer neuen wissenschaftlichen Studie bekannt machen, die die Zahnärztin Dr. Maja Graeser an der Medizinischen Hochschule Hannover im Lehrgebiet Praxisökonomie erarbeitet hat und die zu ihrer Promotion führte [1].
Praxisabgabe und Praxisübernahme
Im vorhergehenden Beitrag dieser Artikelserie wurden die Grundlagen der Wertermittlung und die neuesten Erkenntnisse bei der Anwendung vorgestellt. In der Bewertungspraxis wird überwiegend die Verkehrswertermittlung nachgefragt. Dabei will in den meisten Fällen ein Praxisabgeber wissen, welchen ungefähren Verkaufserlös er mit seiner Praxis am Markt erzielen könnte. Übernehmer wollen entsprechend wissen, welchen üblichen Preis die zum Kauf geplante Praxis wohl hätte. Und im Zugewinnausgleichverfahren oder bei BAG-Auflösungen soll ebenfalls in der Regel der Verkehrswert die Ausgangsgröße für den Ausgleich darstellen.
Der Verkehrswert wird üblicherweise unter der Annahme der unveränderten Fortführung ermittelt. Persönliche Ein%ussfaktoren bleiben dabei unberücksichtigt. Das führt in der Praxis aber häufig dazu, dass der ermittelte Verkehrswert teilweise deutlich kleiner ist als ein vom potenziellen Käufer ermittelter Entscheidungswert (oder „potenzieller Wert“).
Der Verkäufer drückt das so aus: „Meine Praxis ist erheblich mehr wert als der von dem Experten ermittelte Verkehrswert.“ Der Käufer dagegen verrät seinen Entscheidungswert nicht und hofft auf ein „Schnäppchen“.
In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, dass ein Sachverständiger – ideal mit Mediationserfahrung – beide Parteien ins Gespräch holt und zunächst die verschiedenen Wertermittlungsverfahren verständlich darstellt. Dann sollte eine Verkehrswertberechnung erfolgen und erklärt werden, wie das Ergebnis zu interpretieren ist. Anschließend oder gleichzeitig wird dargestellt, welchen Vorteil – und damit welchen Wert – die zum Verkauf stehende Praxis denn für den Übernehmer mit sich bringen würde.
Verständnis der Methodik hilft
Mit sehr viel Erfahrung und Moderationsgeschick muss der Sachverständige nun die individuelle Zukunftserfolgsrechnung, die Kalkulation des Arztlohns und die Annahme des Ergebniszeitraums unter Berücksichtigung von Verflüchtigungs- und Reproduktionsansätzen vornehmen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Vorgehen besser im gemeinsamen „Gespräch“ zu einem zielorientierten Ergebnis führen wird. Tatsächlich belegen die Erfahrungen, dass mit guter Erklärung der Methodik und der Zusammenhänge schnell von beiden Seiten akzeptierte Ergebnisse zu erzielen sind. Dieses Ergebnis wird vom Autor als der „faire Praxiswert“ bezeichnet.
Im nächsten Beitrag befasst sich der Autor mit der Gutachtenerstellung, die ebenfalls für alle Parteien fair sein sollte.
[1] Graeser, Maja (2018) Zur Ermittlung des immateriellen Wertes von Zahnarztpraxen, Dissertation an der Medizinischen Hochschule Hannover
Der Originalbeitrag ist in der dzw (Ausgabe 49-50/2023 | Zahnärztlicher Fach-Verlag GmbH) erschienen.