Der faire Praxiswert 2023: Prof. Dr. Thomas Sander mit neuesten Erkenntnissen
zum Thema Praxisbewertung für Zahnärzte (4)
Mit dieser neuen Artikelserie zum Thema „Der faire Praxiswert“ möchte ich der Zahnärzteschaft die Erkenntnisse einer neuen wissenschaftlichen Studie bekannt machen, die die Zahnärztin Dr. Maja Graeser an der Medizinischen Hochschule Hannover im Lehrgebiet Praxisökonomie erarbeitet hat und die zu ihrer Promotion führte [1].
Was kostet eigentlich ein Wertgutachten? Zunächst ist das vom Umfang des materiellen Vermögens abhängig, das aufgenommen und verarbeitet werden muss. Außerdem spielt die Größe der Praxis eine maßgebliche Rolle. Das gilt auch für den immateriellen Wertanteil. Je mehr Mitarbeiter:innen, desto größer der Datenverarbeitungsaufwand. Kurz: je größer die Praxis, desto aufwendiger das Gutachten.
Dann haben die Verfügbarkeit und die Qualität der Unterlagen einen großen Einfluss auf den Aufwand. Auch die Mitwirkungsbereitschaft des Steuerberaters, der den Gutachter manchmal als eine Art „Wettbewerber“ oder Kritiker sieht, hat einen Einfluss. Oft muss auch die Entwicklung des Umfelds gründlich analysiert werden, oder es stellen sich Fragen nach der Zulässigkeit mancher Geräte oder ganzer Verfahrensabläufe. Wie oft und wie lange muss die Praxis besucht werden, wobei der Grundsatz gilt, dass jede Bewertung zwingend mindestens einen Ortstermin voraussetzt.
Dann ist die Frage nach der Funktion des Gutachtens zu stellen. Für ein Gerichtsgutachten zum Beispiel im Zugewinnausgleichsverfahren, beim Ausstieg eines Partners aus der BAG oder bei steuerrechtlichen oder Erbangelegenheiten kann sich der Gutachter nicht allein auf die Aussagen der Beteiligten berufen, sondern muss gegebenenfalls alle Unterlagen selbst vorliegen haben, verarbeiten und zum Bestandteil des Gutachtens machen. Dadurch erhöht sich der Umfang des Gutachtens.
Speziell bei Verkehrswertgutachten stellt sich die Frage, ob der Auftraggeber das Gutachten zum Beispiel für die Akquisition von Käufern in Verbindung mit der Anforderung an die „Belastbarkeit“ nutzen möchte. Dann muss der Sachverständige zwar sehr gründlich vorgehen, kann sich aber in vielen Punkten auf die Aussage des Auftraggebers berufen, sofern er dies sorgfältig ausweist. Dann muss nicht jede Quelle in das Gutachten eingebunden werden. Eventuell ist in diesem Fall auch eine Potenzialbetrachtung sinnvoll, also die Ermittlung eines Entscheidungswerts für einen gedachten Käufer oder einen konkreten Kandidaten. Auch können gemeinsame Gespräche nötig werden, was den Aufwand natürlich erhöht.
Schließlich sollen Kurzgutachten, ohne dass umfangreiche, gebundene Werke entstehen müssen, eine Abschätzung zum Beispiel des Verkehrswerts ermöglichen. Der Ortstermin mit Datenaufnahme sowie sorgfältige Analysen und Berechnungen müssen natürlich auch bei Kurzgutachten erfolgen.
Als Orientierungshilfe geben viele Sachverständige für den mittleren Aufwand eine Arbeitswoche oder vier bis fünf Tage an, bei hohen Anforderungen an die Dokumentation oder großen Praxen mehr, bei Kurzgutachten oder kleinen Praxen weniger.
Grundsätzlich sind Sachverständige frei in der Methodenwahl. Es gibt keine „richtigen“ oder „falschen“ Gutachten, sie müssen nur schlüssig und nachvollziehbar sein. Gutachten entgegen dem Stand der Bewertungslehre sind aber dennoch nicht zu empfehlen.
Das kann der Fall sein, wenn etwa das gewichtete Mittel der Vergangenheitserfolge statt einer sorgfältigen Zukunftserfolgsrechnung angesetzt wird. Oder es wird beispielsweise eine Berechenbarkeit des Ergebniszeitraums suggeriert, was nach Auffassung des Autors nicht möglich ist (vgl. dzw 47-48/2023: Der faire Praxiswert 2023, Teil 2).
[1] Graeser, Maja (2018), Zur Ermittlung des immateriellen Wertes von Zahnarztpraxen, Dissertation an der Medizinischen Hochschule Hannover
Der Originalbeitrag ist in der dzw (Ausgabe 51-52/2023 | Zahnärztlicher Fach-Verlag GmbH) erschienen.