Tipp: Am Ende sollten beide Seiten zufrieden sein.
In Deutschland gibt es jährlich etwa 1.000 Praxisgründungen, zwei Drittel davon sind Übernahmen von Einzelpraxen. In der Regel fließt bei dieser sogenannten „Transaktion“ Geld, das den Preis für die Praxis darstellt. Doch welcher Preis ist der richtige? Hierauf möchte ich in Kurzform eingehen.
Materieller und immaterieller Wert und Preis
Aufgrund einer Besonderheit im Ertragswertverfahren werden der Wert für den materiellen und für den immateriellen Praxisanteil getrennt ermittelt und addiert. Dabei ist die Bestimmung des materiellen Werts zwar nicht einfach, aber selten strittig. Die Beteiligten haben oft selbst ein gutes Gefühl für den Wert etwa der gebrauchten Behandlungsstühle und des Röntgens oder ziehen ein Depot zur Bewertung heran. Deshalb – und weil es im Detail leider viel komplizierter ist – möchte ich mich nur mit dem immateriellen Wert auseinandersetzen, der den größten Teil des Gesamtwerts ausmacht (Mittelwert: mehr als zwei Drittel des Gesamtpreises).
Während Werte sichtweisenabhängig sind (es gibt also verschiedene Werte für eine Praxis), ist der Preis der sogenannte Transaktionswert, benennt also die Geldmenge, die dann tatsächlich fließt.
Was ist mit „fair“ gemeint?
Der Preisfindungsprozess ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Ein Extrem: Abgeber und Übernehmer schauen sich die Praxis an und kommen ohne jede „Berechnung“ zu einem übereinstimmenden Wert. Hier wird keine Unterstützung angefordert. Der Deal ist einfach und konfliktfrei. Anderes Extrem: Der Abgeber hat ein Gutachten angefertigt, auf das er seine Preisvorstellung gründet. Der Übernehmer ist nicht einverstanden und beauftragt ebenfalls einen Sachverständigen. Die Wertvorstellungen differieren deutlich, und es wird „hart“ verhandelt. Diese Vorgehensweise liegt dem einen mehr und dem anderen weniger. Mit „fair“ meine ich, dass sich Abgeber und Übernehmer zuhören, ihre Vorstellungen begründen und Verständnis für die jeweils andere Sicht haben. Am Ende sollen beide Seiten zufrieden sein. Dieses Vorgehen erfordert keinen oder maximal einen sachverständigen Bewerter, der idealerweise auch noch Mediator ist.
Wie wird denn der immaterielle Praxiswert ermittelt?
Das ist ertragsabhängig. Je größer die Erträge (das kann man vereinfacht mit dem Gewinn vergleichen), desto mehr ist die Praxis wert. Es hat sich aber – und das ist beachtenswert – ein Verfahren durchgesetzt, das ausschließlich den Zukunftserfolg vor Augen hat, das „modifizierte Ertragswertverfahren“. Da ist der Wert in erster Linie von dem erwarteten zukünftigen Gewinn abhängig, den ja noch keiner kennt. Im Normalfall wird der Übernehmer Risiken sehen und mit einem geringeren Ertrag kalkulieren, während der Abgeber sagt, dass er all die Jahre diese hohen Erträge erwirtschaftet hat und wenn er nicht abgeben würde, würde er auch künftig diese hohen Erträge erwirtschaften. Deshalb ist seine Preisvorstellung höher. Jetzt gibt es noch ein paar wichtige Aspekte und Parameter bei der exakten Berechnung des Werts, die ich in diesem Rahmen nicht erläutern möchte. Für euch ist die Erkenntnis wichtig: Es gibt keinen Wert an sich, es gibt nur Werte aus der Sicht von jemandem.
Warum soll ich überhaupt fair sein?
Das ist eine berechtigte Frage. Wir haben zurzeit einen „Käufermarkt“, das heißt, dass mehr Praxen zum Verkauf stehen, als Käufer vorhanden sind. Das drückt den „Marktwert“. Doch in der Realität ist es so, dass für die wirtschaftlich Erfolg versprechenden Praxen immer noch gute Preise gezahlt werden.
Natürlich kann ich „hart“ verhandeln. Und man soll ja auch sein wirtschaftliches Ziel nicht aus dem Auge verlieren. Wenn es aber gelingt, dass auch der Abgeber mit dem gefundenen Wert zufrieden ist, erhöht das seine Bereitschaft, am zukünftigen Erfolg mitzuwirken. Dies kann beispielsweise durch aktives „Übergeben“ geschehen, indem der Abgeber allen Patienten vom Übernehmer vorschwärmt. Oder er arbeitet noch eine bestimmte Zeit in der Praxis mit, was ebenso den Übergabeprozess und den wirtschaftlichen Erfolg verbessern kann. Wenn das gut gelingt, wäre dann der Wert höher als der Preis.
Der sachverständige Mediator
Natürlich fertigen wir gern Gutachten an. Und manchmal macht es auch Spaß, an einer „harten Verhandlung“ mitzuwirken. Am besten ist es jedoch, wenn ich mich mit beiden Parteien an einen Tisch setze und erläutere, wie das eigentlich geht mit der Wertermittlung. Ich höre zu, kommentiere und nehme beide Seiten wahr. Schließlich komme ich zu verschiedenen Werten, die ich erläutere. Und daraus leite ich einen Vorschlag für den aus meiner Sicht „fairen Wert“ ab. Das ist in unserem Haus mit vereidigten Sachverständigen und zertifizierten Mediatoren noch nie misslungen. Sich zuhören und fair sein, das gibt Kraft und Energie, die bei der Praxisgründung für andere Herausforderungen dringend gebraucht werden.
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Der Originalbeitrag ist in der dzw iNPUT! (Ausgabe 4/2019 | Zahnärztlicher Fach-Verlag GmbH) erschienen.