Der faire Praxiswert 2023: Prof. Dr. Thomas Sander mit neuesten Erkenntnissen zum Thema Praxisbewertung für Zahnärzte (2)
Mit dieser neuen Artikelserie zum Thema „Der faire Praxiswert“ möchte ich der Zahnärzteschaft die Erkenntnisse einer neuen wissenschaftlichen Studie bekannt machen, die die Zahnärztin Dr. Maja Graeser an der Medizinischen Hochschule Hannover im Lehrgebiet Praxisökonomie erarbeitet hat und die zu ihrer Promotion führte [1].
Neueste Erkenntnisse zum immateriellen Praxiswert
Um die Erkenntnisse von Graeser einordnen zu können, muss man sich Klarheit über die geeignete Bewertungsmethodik verschaffen: Extrem vereinfacht dargestellt, ergibt sich der immaterielle „Wert“ einer Praxis aus den zu erwartenden Gewinnen der Zukunft nach Abzug eines angemessenen Arztlohns, eigentlich über einen unendlichen Zeitraum hinweg (das nennt man auch „ewige Rente“). Bei starker Personenabhängigkeit, wie etwa bei Architekten, Rechtsanwälten, Steuerberatern und eben auch Ärzten und Zahnärzten, muss der Ergebniszeitraum verkürzt werden. Dies kann modellhaft damit begründet werden, dass sich der Einfluss des Abgebers mit den Jahren verflüchtigt oder es eben nur relativ wenige Jahre dauert, bis der Käufer alternativ zum Kauf die Praxis selbst reproduzieren kann. Dieses Verfahren mit der Kürzung des Ergebniszeitraums nennt man „modifiziertes Ertragswertverfahren“.
Graeser hat sich nun damit auseinandergesetzt, welche Faktoren die Länge des Ergebniszeitraums beeinflussen. Dabei konnte sie 35 Faktoren identifizieren, zum Beispiel Patientenstamm, Lage, Mitarbeiter, QM-System etc. Viele Parameter überschneiden sich, es kommt teilweise zu Doppelbewertungen: Zum Beispiel hängen die Lage und die ÖPNV-Anbindung zusammen oder die vielleicht hohe Kaukraft mit den hohen Erträgen, die sich bereits in den Zukunftserlösen widerspiegeln. Kurzum: Es handelt sich um ein multivariates Geschehen, das durch einfache Regression mathematisch nicht auflösbar ist.
Erschwerend kommt hinzu, dass nach Graeser die an der Studie teilnehmenden Sachverständigen (also die Experten) gänzlich andere und vor allem viel mehr Parameter für einflussgebend halten als die befragten Zahnärzte. Bei diesen stehen bei der Wertfindung die persönlichen Verhältnisse, die im Hinblick auf den Verkehrswert aber gar keine Rolle spielen dürfen (siehe dzw 46/2023: Der faire Praxiswert 2023, Teil 1), an erster Stelle. Bei den Experten gibt es darüber hinaus teilweise deutlich unterschiedliche Annahmen hinsichtlich des Ergebniszeitraums bei ansonsten gleichen Voraussetzungen. Was soll denn da nun angesetzt werden im Hinblick auf den Verkehrswert?
Im Ergebnis führt das alles dazu, dass die Wahl des Ergebniszeitraums und damit die Wertermittlung im Ganzen maßgeblich von den Erfahrungen des Bewerters abhängig ist. Vorschläge macht hierzu unter anderem Sander [2]. Eine „Berechnung“ des Ergebniszeitraums im Sinne einer exakten Wissenschaft hält der Autor dabei für irreführend und eine nicht vorhandene Genauigkeit vorgaukelnd (siehe oben).
Wie Sie bei der von Ihnen geplanten Praxiswertermittlung vorgehen sollten, zeigen die nächsten Beiträge dieser Artikelserie.
[1] Graeser, Maja (2018) Zur Ermittlung des immateriellen Wertes von Zahnarztpraxen, Dissertation an der Medizinischen Hochschule Hannover
[2] sander-kollegen.de/files/pdf/210622_Verfluechtigung_oder_Reproduktion_2018.pdf
Der Originalbeitrag ist in der dzw (Ausgabe 47-48/2023 | Zahnärztlicher Fach-Verlag GmbH) erschienen.