Praxiswerte werden überwiegend im Verkaufsfall bestimmt, gefolgt von gesellschafts- oder familienrechtlichen Anlässen. Der einfachste Fall ist der, dass beide Parteien sich aufgrund eines „Markteindrucks“ sofort einig sind. Man „fühlt“ den angemessenen Preis. Oft ist es aber so, dass externe Experten herangezogen werden: Depots, Steuerberater, Sachverständige und viele mehr. Die ermitteln dann mit nicht einheitlich geregelten Methoden sowohl den materiellen als auch den immateriellen Wert. Zusammen stellen diese beiden den Gesamtwert dar. Bei rechtlichen Auseinandersetzungen muss noch vieles mehr beachtet werden, hier soll es nur um den „reinen Wert“, z. B. im Verkaufsfall, gehen.
Bedeutung des immateriellen Wertes
Dieser auch Goodwill genannte Wert ist das Äquivalent zu zukünftig zu erwartenden Erträgen, die der Praxisinhaber gebündelt in einem Wert verkauft. Zur Berechnung wird nach dem Stand der Bewertungslehre entsprechend das modifizierte Ertragswertverfahren angewandt. Der immaterielle Praxiswert macht im Mittel mehr als zwei Drittel des Gesamtwertes aus. Die Schwierigkeiten bei der Ermittlung sind im Wesentlichen eine fundierte Zukunftsplanung und die Festlegung des sogenannten Ergebniszeitraums. Das ist vereinfachend gesagt der Multiplikator des Jahresertrages. Auch wenn zwei Sachverständige hier aufgrund unterschiedlicher Annahmen noch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen bei einer Praxisbewertung kommen können, so ist das Verfahren doch recht klar.
Bestimmung des materiellen Wertes
In den meisten mir bekannten Fällen wird der materielle Wert, nachdem man sich auf den Goodwill geeinigt hat, gar nicht sachverständig bestimmt, sondern, ohne hinterfragt zu werden, irgendwie gemeinsam schnell „gefunden“. In den besten Fällen wird das Depot gefragt: „Was ist denn das Materielle meiner Praxis wert?“ Manchmal muss der Mitarbeiter des Depots gar nicht in die Praxis kommen, weil er sie hinreichend kennt, und kann sofort eine Zahl am Telefon nennen. In anderen Fällen werden die einzelnen Räume begangen, die Anlagen fotografiert und dann ein mehrseitiges Papier erstellt, auf dem am Ende eine Summe von Einzelwerten steht.
Wieso ist das problematisch?
Das Problem ist, dass der so bestimmte Wert meistens gar nicht definiert wird. Was für ein Wert soll das sein? Der Preis, den das Depot bei Abholung zahlen würde? Oder der nach Transport und Aufbereitung am Markt erzielt werden kann? Beides sicher nicht. Gesucht ist doch der Wert, den die Anlagen bei Fortführung des Betriebes haben. Analog zum modifizierten Ertragswertverfahren für den immateriellen Wert wird also ein „Ertragsvorteil“ zu bestimmen sein, der dadurch entsteht, dass der Übernehmer zunächst nicht in neue Anlagen investieren muss. Das ist der sogenannte Ausgabenersparniswert, der ziemlich gut, wenn auch aufwendig, bestimmt werden kann.
Manche Depots bestimmen den „Nutzwert der Anlagen bei Fortführung“ und sind damit schon auf dem richtigen Weg. Leider werden auch hier eher „gefühlte“ Einzelwerte bestimmt. Ein belastbares Rechenmodell wie das des Ausgabenersparniswertes kommt in der Regel nicht zum Einsatz.
Was genau wird mit dem Ausgabenersparniswert berechnet?
Streng genommen wird zunächst der „Entscheidungswert“ des Käufers bestimmt, der exakt den Nutzen aufgrund der befristeten weiteren Nutzung beziffert. Entscheidungswert heißt, dass dieser Wert das Maximum für den Käufer darstellt. Will der Verkäufer einen höheren Preis, sollte der Käufer auf die Übernahme des Anlagenteils verzichten und lieber eine neue Anlage kaufen.
Kann so auch der „Verkehrswert“ bestimmt werden?
Grundsätzlich ja, weil Erfahrungswerte vorliegen, welcher Anteil am Ausgabenersparniswert tatsächlich am Markt erzielt wird. Interessant ist, dass die Differenz hier sehr groß ist, das heißt, dass Verkäufer heute bei guter Verhandlung weit mehr als den Marktwert erzielen können.
Erstveröffentlichung Spitta GmbH, 2019. Zum Artikel (externer Link)