Ein Drittel aller Praxisinhaber ist älter als Mitte 50. Der Markt wird mit Altpraxen überflutet, dementsprechend haben sich die Preise entwickelt. Insbesondere die nicht ganz so umsatzstarken Praxen sind kaum mehr verkaufbar. Aber auch die sehr umsatzstarken Einheiten erzielen nicht die Verkaufserlöse, die eigentlich ihrem Wert entsprechen, denn der Niederlassungswille sinkt mit der Feminisierung und den Vorstellungen der Generation Y.
Der Käufermarkt
Infolgedessen haben wir mittlerweile einen Käufermarkt, das heißt im Ergebnis, dass der Käufer die Preisfindung dominiert. Das bedeutet aber nicht, dass er jeden noch so niedrigen Preis durchsetzen kann. Zu beachten sind vielmehr die persönlichen Verhältnisse, die sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer herrschen. Das haben die verschiedenen Untersuchungen gezeigt, die ich aktuell durchgeführt habe. Die Untersuchungen ergeben auch neue Anhaltswerte zur Preisfindung auf der Basis eines erweiterten modifizierten Ertragswertverfahrens. Eine einfache pauschale Ermittlungsformel gibt es leider nicht. Wie kann nun ein angemessener Preis gefunden werden? Hierzu erkundigen sich beide Seiten bei Fachberatern, Steuerberatern, Fachanwälten oder Sachverständigen für Praxisbewertung. Dies führt zu Argumentationswerten, die beide Parteien in den Ring werfen. Falls die Vorstellungen identisch sind, besteht kein Handlungsbedarf, die Einigung ist erzielt. Bei Abweichungen muss verhandelt werden, jedenfalls, wenn grundsätzlich ein Einigungswille vorhanden ist.
Der Sachverständige
Meiner Erfahrung nach ist es jetzt hilfreich, einen Sachverständigen zu bitten, hier zu moderieren. Dieser hinterfragt, wie beide Seiten zu ihren Werten gekommen sind und erklärt das Vorgehen: Was ist eigentlich ein Wert, was bedeutet dieser und welche Auswirkungen hat dieser auf die Verhandlung und den zukünftigen Betrieb der Praxis? Das allein führt oft schon zu einer Einigung, einfach deshalb, weil die Wertermittlung damit klar und nachvollziehbar wird.
Das Fallbeispiel
Vor allem aber in „harten“ Fällen kann der vermittelnde Sachverständige dazu beitragen, eine Lösung zu finden. In einem realen Beispiel aus 2017 wollte der Abgeber keinesfalls weniger als 300.000 EUR erzielen, der mögliche Käufer aber keinesfalls mehr als 200.000 EUR zahlen. Diese Positionen wurden scheinbar unverrückbar zu Beginn der Verhandlung postuliert. Hier muss der Sachverständige eine sofortige kontroverse Diskussion unbedingt vermeiden. Stattdessen sollte er beide Positionen allparteilich (das ist eine Modifikation von unparteilich: Der Mediator nimmt jeweils beide Positionen ein und erklärt sie der anderen Seite) bewusst machen, ohne den drohenden Konflikt zu schüren. Hinzu kommen weitere Argumente wie „Welche Vorteile für den Käufer hätte eine bestimmte Zeit des gemeinsamen Arbeitens?“, „Wie wichtig ist es dem Abgeber, dass seine Patienten in guten Händen bleiben?“, „Wie wichtig sind dem Käufer bestimmte Aspekte des Praxisumfeldes?“ etc., die erörtert werden sollten und dazu beitragen, unterschiedliche Bedürfnisse gleichermaßen zu beleuchten. Hier wurde eine Lösung zwischen den Extremwerten gefunden, die für beide Seiten vorteilhaft war und bei der es im Nachhinein nicht mehr um den Preis allein ging. Ganz wichtig ist es jedoch, rechtzeitig mit der Nachfolgesuche zu beginnen.
Die Altersgrenze für die Praxisabgabe
Ich empfehle zehn Jahre bzw. minimal fünf Jahre vor der geplanten Abgabe. Beachten Sie dabei, dass der Wert Ihrer Praxis mit dem Erreichen der Altersgrenze sinkt. Wenn der Käufer weiß, dass Sie auf jeden Fall bis zum Ende des Jahres schließen möchten, wartet dieser ruhig ab, bis Sie den Praxisbetrieb erlösfrei einstellen, mietet dann die Praxisräume oder macht eine neue Praxis daneben auf.
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Der Originalbeitrag ist in der ZWP (10/2018, OEMUS MEDIA AG) erschienen.