Fast täglich können wir Beiträge zu diesem Thema lesen, und meistens ist der Tenor: MVZ – die Welt geht unter. Gut, MVZ gibt es schon lange, eine Rückbesinnung auf die alten Polikliniken. Seit 2015 können nun auch arztgruppengleiche MVZ betrieben werden, eine Chance für viele Unternehmer-Zahnärzte. Größter Vorteil: Man kann Zahnärzte in beliebiger Zahl einstellen. Und nun gibt es noch die MVZ in Fremdbesitz. Dazu gleich mehr.
Aber ist das nun wirklich so eine Katastrophe, wie es oft dargestellt wird? Wo kommen wir denn her? Bis 2007 konnte der Zahnarzt nur eine Praxis ohne angestellte Zahnärzte betreiben. Einziger Ausweg: die Gemeinschaftspraxis. Da arbeiteten mindestens zwei Zahnärzte in einer Praxis. Das waren dann schon die großen Einheiten. Für die Zahnärzte der ehemaligen DDR war das knapp 20 Jahre zuvor mit dem Einigungsvertrag übrigens tatsächlich eine Katastrophe: die wollten überwiegend nämlich gar nicht selbstständig sein, wurden aber dazu gezwungen. Wer hat sich eigentlich darüber aufgeregt?
Heute besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Zahnarztberuf auszuüben. Und das passt nach meiner Einschätzung gut zu den Anforderungen der Generation Y bzw. denen, die aus der vielzitierten „Feminisierung“ erwachsen. Ist doch prima, in welcher Vielfalt der Beruf ausgeübt werden kann. Bis dahin ist dann auch noch meistens ein Konsens zu erzielen. Aber beim Stichwort „MVZ in Fremdbesitz“ hört der Spaß auf. Warum? Welche Gefahr droht wirklich?
Kurz zur Erklärung: Zugelassene Krankenhäuser können auch Nicht-Ärzten gehören, z.B. großen Fonds-Gesellschaften. Diese Kliniken wiederum können Z-MVZ gründen. Die Praxen bzw. Z-MVZ gehören dann am Ende der Fond-Gesellschaft. Die Vorteile für diese Variante der Betriebsformen liegt darin, dass durch Synergieeffekte beispielsweise mehr für Marketing ausgegeben werden kann. Und natürlich konzentrieren sich die Gründungen bzw. meistens Übernahmen auf lukrative Standorte. Bei strategischen Investitionen bringen die Gesellschaften auch häufig für mehrere Jahre „das Geld mit“.
Vergessen wird dabei aber oft eines: Am Ende entscheidet der Patient, wohin er geht. Und es gilt der alte Grundsatz: Menschen wollen von Menschen und nicht von Institutionen behandelt werden. Zahnärzte verkaufen eben kein SmartPhone, wobei der Eigentümer der Fabrik völlig egal ist, sondern eine persönlich erbrachte, medizinische Dienstleistung. Da muss sich ein MVZ ohne Zahnarzt-Chef schon ganz schön strecken, um Patienten zu binden. Und wenn das bei einigen gelingt, soll das wohl so sein: Jede Praxis bekommt die Patienten, die zu ihr passen.
Dazu muss sich das MVZ noch sehr anstrengen, um nicht den bekannten Effekt zu erzielen, dass ein angestellter Zahnarzt Patienten bindet, um sich nach wenigen Jahren genau mit diesen Patienten selbstständig zu machen.
Wir haben in Deutschland 42.000 Zahnarztpraxen, davon 80 Prozent Einzelpraxen. Ich bin ganz sicher, dass die wenigen MVZ diese nicht wirklich gefährden werden. Natürlich muss jede Praxis heute in Marketing investieren und beim Patienten durch Persönlichkeit, Führungsstärke und ein tolles Team Begeisterung erzeugen. Die schöne und moderne Praxis zählt auch dazu. Aber dann liegt bereits der Vorteil auf der Hand: Es ist tatsächlich ein Chef bzw. eine Chefin da, die selbst behandelt und für den Patienten auch als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht. Da läuft es eben nicht anonym.
Wenn die Standespolitik gegen Fremdbesitz angeht, ist das okay – ich sehe aber keine wirklich relevanten Bedrohungen. Warum soll es nicht die gesamte Angebotspalette geben, bei der der Patient wählt. Dem guten Zahnarzt sollte das recht sein, und darum geht es doch. Vielleicht sind alle irgendwann mal ganz dankbar für diese Variante, wenn nämlich die Baby-Boomer-Generation ihre Praxen ohne Nachfolger aufgegeben haben und die Patienten neue, gute Praxen mit vertrauenswürdigen Zahnärzten und Zahnärztinnen suchen. Und dann freue ich mich darüber, dass die Zahnarztpraxis wirklich in der Marktwirtschaft angekommen ist. Die besten werden vorn sein – zum Wohle der Patienten.
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Der Originalbeitrag ist in der dentalfresh, Ausgabe 3/2018, OEMUS MEDIA AG, erschienen.