Kaum eine Frage beschäftigt uns zurzeit so sehr wie das Thema Praxisabgabe. Nahezu tägliche Anfragen: Kann ich meine Praxis überhaupt verkaufen? Welchen Preis kann ich erwarten? Wann fange ich mit der Suche nach einem Nachfolger an? Soll ich mit dem Übernehmer zusammenarbeiten? Wenn ja, ich welcher Form und wie lange? Soll ich jetzt noch investieren? Wenn ja, in was? Welches sind die geeigneten Marktplätze? Und vieles mehr …
Es gibt so viele Käuferzielgruppen wie es Zahnärzte gibt. Finden Sie heraus, wer Sie sind bzw. welche Positionierung Sie haben, und erzählen Sie das allen Menschen, die im Rahmen Ihrer Abgabestrategie dafür vorgesehen sind.
Irgendwo interessieren sich einer oder mehrere Zahnärzte genau für Ihre Zahnarztpraxis.
In diesem Beitrag wird das Thema Markenbildung im Zusammenhang mit der geplanten Abgabe behandelt. Macht es Sinn, eine starke Marke zu sein? Wenn ja, wie bilde ich die Marke für die relativ kurze Zeit bis zur Abgabe aus? Oder ist das eher schädlich? Was ist für potenzielle Übernehmer wichtig? Wie kann ich meine Praxis durch “Markenmaßnahmen“ verkaufbar machen bzw. einen höheren Preis erzielen? Egal, welche Strategie Sie im Speziellen verfolgen: Die Planung der Abgabe sollte bereits zum Zeitpunkt der Praxisgründung beginnen, spätestens aber zehn bis fünf Jahre vor dem geplanten Zeitpunkt des Verkaufs vorgenommen werden.
Die Situation
Wir haben in Deutschland ca. 42.000* Zahnarztpraxen (ZAP) mit ca. 50.000 Praxisinhabern (zugelassen, beteiligt oder ermächtigt). Weiterhin werden inzwischen ca. 12.000 Zahnärzte als Angestellte beschäftigt. Jährlich nehmen 1.200 Zahnärzte neu an der zahnärztlichen Versorgung teil. Die Zahl der neuen ZAP kann daher gut mit 1.000 pro Jahr abgeschätzt werden. Die Zahl der abgebenden Zahnärzte ist aber infolge der geburtenstarken Jahrgänge so hoch (ein Drittel der Zahnärzte ist älter als 55), dass die Zahl der Praxisinhaber jährlich um ca. 600 sinkt. Der ZAP-Rückgang ist mit ca. 250 bis 500 pro Jahr (BAGEffekt) etwas geringer. Der Großteil der Gründungen besteht aus der Einzelpraxisübernahme mit ca. 650 pro Jahr bei einem Angebot von 1.500 bis 2.000 abgebenden Zahnärzten. Die Zahl der echten Neugründungen beträgt ca. 70 pro Jahr. Weiterhin gibt es ca. 300 Niederlassungen in Kooperation. Aufgrund dieser Arithmetik ist der ZAP-Markt ein reiner Käufermarkt geworden. Dabei lassen sich Praxen in Mittelstädten sowie im Süden und Westen Deutschlands am teuersten und Landpraxen sowie Praxen im Osten Deutschlands mit dem geringsten Preis verkaufen. Eine Angabe, welche Art von Praxen überhaupt nicht verkaufbar sind, liegt dem Verfasser nicht vor. Nach eigener Einschätzung kann der oben genannte Preistrend grundsätzlich zwar auch auf die Schließungshäufigkeit übertragen werden, allerdings ist das Marktgeschehen hier höchst heterogen. Fast jede ZAP ist tatsächlich verkaufbar. Es kommt nur auf ihre Positionierung und die Abgabestrategie an.
Anmerkung: Die Abgabestrategie ist ein separates, wenn auch sehr wichtiges Thema. In diesem Beitrag wird nur das Thema „Markenbildung im Hinblick auf die Abgabe“ behandelt.
Markenbildung oder eher klein und bescheiden?
Was ist eine Marke? Viele denken jetzt sofort an das Z-MVZ oder die große Praxis mit einem Fantasienamen, der möglichst den Wortbestandteil „dent“ und/oder einen Anglizismus beinhalten muss. Dieser Ansatz ist nicht zielführend. Im Hinblick auf den Erfolg und damit auch Verkauf macht die Person des ZAP-Inhabers bzw. der -Inhaberin die Marke aus. Wir nennen das – um in einer konsistenten Marketingphilosophie zu bleiben – Positionierung (Positionierungstheorie nach Al Ries und Jack Trout). „Das ist die Praxis, in der das Team immer so lustig ist“, oder „Der Zahnarzt macht einfach die besten Prothesen der Stadt“. Weitere Beispiele: „Die Feng-Shui-Praxis hat mir die Angst vor dem Zahnarzt genommen“, oder „Die lassen sich wirklich Zeit für eine gute Beratung“. Was macht Sie, was macht Ihre Praxis aus? Was bildet Ihre Marke? Wie werden Sie von den Patienten wahrgenommen? Auch „Dr. Müller“ kann eine Marke sein, in dem Sinne: „Der Dr. Müller aus Bröckede, der so super Prothetik macht, wenn wir da mal einen Termin bekommen“. Man nennt das auch „Corporate Image“. Arbeiten Sie das heraus, was als Positionierung bezeichnet wird. Und die müssen Sie dann übertragbar machen und auf den Marktplatz stellen und abwarten, bis sich ein potenzieller Übernehmer meldet, der sich von Ihrer Positionierung angesprochen fühlt. Es kommt immer auf die Zielgruppe an: Ihr Übernahmekandidat ist nicht irgendeiner von vielen Zahnärzten, „die ja irgendwie alle gleich sind“, sondern vielleicht der junge karriereorientierte Mann auf der Suche nach der Spitzenpraxis oder die junge Mutter, die jetzt, eventuell mit einer Kollegin zusammen, halbtags in einer kleinen Praxis arbeiten will. Oder die bescheidene Zahnärztin, die nicht mehr angestellt sein will, sondern mit einem geringen Gewinn zufrieden ist und ihre Selbstständigkeit verwirklichen will. Oder die beiden Kommilitonen, die sich so gut verstehen, dass sie ihre Edelpraxis gemeinsam gestalten wollen. Es gibt so viele Zielgruppen wie es Zahnärzte gibt. Finden Sie heraus, wer sie sind bzw. welche Positionierung Sie haben und erzählen Sie das allen Menschen, die im Rahmen Ihrer Abgabestrategie dafür vorgesehen sind. Irgendwo interessieren sich einer oder mehrere Zahnärzte genau dafür. Vielleicht nicht heute, aber eventuell morgen. Und dann passt es gegebenenfalls.
Was ist denn der “Marktplatz”?
Den exakten Marktplatz müssen Sie im Rahmen Ihrer Abgabestrategie festlegen, also zum Beispiel die Einbindung Ihres Depots oder die geeignete Internetplattform. Im Hinblick auf die in diesem Beitrag zu behandelnde Markenbildung ist entscheidend, dass Sie Ihre Positionierung wirksam auf Ihrer Website platzieren. Denn alle potenziellen Kandidaten werden zunächst versuchen, Sie im Internet zu finden. Wenn Sie dort nicht vertreten sind, reduzieren Sie die Zahl der realen Bewerber deutlich. Dabei muss eine „Abgabewebsite“ gar nicht teuer sein. Sie muss eben nur zu Ihrer Positionierung passen. Versetzen Sie sich in die Situation des Suchenden: Was muss der Kandidat, der eine ZAP sucht und der zu Ihnen passt, beim Googeln fühlen? Was hält ihn auf der Website? Was veranlasst ihn, bei Ihnen anzurufen?
Schlussbemerkung
Eine Website lebt von Bildern. Ohne jetzt Ihre Abgabestrategie zu entwickeln, möchte ich darauf hinweisen, dass eine Investition in einen – dann auch fotografierten – neuen Fußboden oft kleine Wunder beim Verkauf von Zahnarztpraxen bewirkt.
* Die Zahlen wurden der Existenzgründungsanalyse der apoBank 2017 sowie dem KZBVJahrbuch 2018 bei selbst vorgenommenen Rückschlüssen entnommen.
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Der Originalbeitrag ist in der ZWP (9/2019, OEMUS MEDIA AG) erschienen.