Fairer Praxiswert

Fairer Praxiswert oder “Was ist eigentlich ein Wert?”

Hier gibt es verschiedene Ansätze, aber allgemein kann man wohl vereinfachend sagen, dass in einem „Wert“ die Summe der (sachverständig bestimmten) Zukunftserfolge zurückgerechnet auf einen Stichtag gebündelt werden. Ganz entscheidend für das Verständnis ist dabei, dass es einen objektiven Wert nicht gibt – es gibt nur individuelle Werte aus verschiedenen Blickwinkeln. So hat ein Abgeber möglicherweise eine andere Wertvorstellung von seiner Praxis als ein potenzieller Übernehmer. Kritisch wird es, wenn Ihnen ein Sachverständiger, Steuerberater oder Depotmitarbeiter mit ehrlicher Überzeugung, aber ohne weitere Differenzierung, sagt: „Der Wert Ihrer Praxis beträgt 200.000 Euro.“ Vermutlich ist dann der „Marktwert“ bzw. „Verkehrswert“ gemeint, aber den gibt es so gar nicht. Ich kann nur davor warnen, die Preisverhandlungen auf solch tönerne Füße zu stellen.

Warum gibt es keine Verkehrswerte?

Der Markt der zur Abgabe bereiten Zahnarztpraxen unterscheidet sich beispielsweise erheblich vom nahezu vollkommenen Automarkt. Da kann der Marktwert anhand vieler vollzogener Transaktionen recht gut eingegrenzt werden. Die tatsächlich realisierten Werte von Praxen (auch Transaktionswerte oder Preise genannt) werden im Wesentlichen durch persönliche Verhältnisse bestimmt, und dies ist bei der Definition von Markt- bzw. Verkehrswerten eben gerade ausgeschlossen. Trotzdem wird so etwas wie ein Marktwert oft gesucht. Ich spreche dann gern von einem verkehrswertorientierten Wert, der in einer bestimmten Bandbreite liegt. Neben Verkäufern und potenziellen Käufern von Praxen verlangen auch die Gerichte, z. B. im Zugewinnausgleichsverfahren, die Angabe dieses Wertes. Wenn es den Marktwert objektiv gäbe, wäre dieser fair.

Der Entscheidungswert

Für den Abgeber ist der Entscheidungswert der Preis, den er mindestens erzielen muss, um keinen wirtschaftlichen Nachteil zu erleiden. Für den Übernehmer ist es der Preis, den er maximal zu zahlen bereit ist, ohne einen Nachteil zu haben. Es ist relativ einfach, einen fairen Wert zu finden, wenn der Entscheidungswert des Käufers höher ist als der des Verkäufers. Wenn das umgekehrt ist, wird es schwieriger.

Der faire Wert

Interessanterweise haben viele Menschen eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie der „Wert“ definiert wird bzw. was das eigentlich ist und wie er berechnet wird. Das ist jedoch in der Regel nicht fundiert. Wer sich mit der Bewertungstheorie nicht auseinandergesetzt hat, kann es nicht wirklich wissen. Allerdings: Ganz so schwierig, wie es beim näheren Hinsehen bzw. Zuhören zunächst erscheint, ist die Wertermittlung dann aber doch nicht. Ich empfehle immer, den fairen Wert im Rahmen eines Mediationsgespräches zu finden, in dem beiden Seiten anhand der tatsächlich zum Verkauf stehenden Praxis erklärt wird, wie die unterschiedlichen Sichtweisen denn aussehen könnten. So ist beispielweise ein Übernehmer eher bereit, einen höheren Preis zu zahlen, wenn er den dahinter liegenden „Wert“ erkennt. In der dzw 6/2019 habe ich beschrieben, dass Abgeber gerade beim materiellen Wert oft benachteiligt sind. Wenn dem Übernehmer aber erklärt wird, welchen Nutzen er von dem Praxisinventar noch haben wird bzw. welche Ausgaben er bei der Übernahme spart, ist er wahrscheinlich bereit, mehr zu zahlen. Andererseits haben Abgeber oft eine Preisvorstellung, die nicht marktgerecht ist. Auch hier gilt: Wenn der neutrale Sachverständige mit Mediationshintergrund aufgrund seiner Erfahrungen belegen kann, dass die Preisvorstellung nicht gerechtfertigt ist, kann dies der Abgeber eher einsehen und sich der veränderten Marktsituation anpassen.

Fazit

Wenn Sie sich zusammen mit Ihrem Nachfolger einvernehmlich auf einen fairen Preis einigen, ist das der beste Weg. Wenn Sie unterschiedliche Preisvorstellungen haben, empfehle ich die Ermittlung des fairen Wertes wie oben beschrieben. Die Chance, dass beide Parteien danach zufrieden sind, ist mit diesem Weg stark erhöht.


Der Originalbeitrag ist im Niedersächsischen Zahnärzteblatt (NZB, Ausgabe 4/2019 | Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen (KZVN) ) erschienen.


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Prof. Dr. Thomas Sander gründete das Unternehmen Sander Concept im Jahr 1997 und ist heute Sachverständiger für Praxiswertermittlung von Zahnarzt-, Arzt- und Tierarztpraxen.
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